Sonntag, 20. Februar 2011

Auf Safari

Am zweiten Tag früh am Morgen - es ist noch dunkel - stolpern wir samt Gepäck über einen steilen, natürlich unbeleuchteten Lehmweg mit tiefen Schlaglöchern den Berg hinunter vom Gästehaus zur Hauptstraße, wo uns das unvermeidliche Matatu aufgabelt und zur GaaGaa- Station bringt - ein christliches Busunternehmen. Wir möchten gen Norden fahren, nach Arua, wo die ugandesische DIGUNA-Station ressidiert. Christlich? Na ja, die taffe symphatische Reisebegleiterin betet mit allen Reisenden zu Beginn der Fahrt um Bewahrung (das ist auch nötig bei der halsbrecherischen Art, wie man sich in Uganda auf Straßen fortbewegt) und verbreitet frohe Laune. Warum wir denn so griesgrämig aussähen? Kein Grund! Alle haben doch einen Sitzplatz! Also wischen wir uns die Müdigkeit des frühen Aufstehens aus den Augen, kuscheln uns diesmal als Familie in eine Dreierbank und fahren der Morgendämmerung entgegen. Acht Stunden Fahrt liegen vor uns.
Die "Vororte" von Kampala, die ich als Slums bezeichnen würde, schocken mich doch ein bisschen, obwohl ich innerlich gewappnet war, solchen Verhältnissen zu begegnen. Längs der Staße stehen Bretterbuden oder kleine Hütten aus rotem Lehm, auf rotem Boden, innen mit Fundament aus festgestampfter roter Erde, mit Wellblech oder Stroh gedeckt. Wäsche liegt zum Trocknen auf den Hausdächern, die mit einer dicken Schicht roten Staubs bedeckt sind. Kinder sitzen auf winzigen Vorplätzen und spielen mit Zweigen oder Steinen. Frauen stampfen irgendwas zu Brei oder waschen Wäsche in Plastikschüsseln. Hier gibt es natürlich kein fließendes Wasser, keinen Strom, keinen Zugang zu sanitären Anlagen, keine Müllabfuhr. Und genau so sieht es hier auch aus.
Für die meisten Erdenbewohner gelten solche Lebensumstände als "normal" - dabei denken wir Westeuropäer, unsere Lebensweise sei "normal" - wie ignorant! 1,2 Millarden Menschen haben keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Was das in einem so heißen Klima bedeutet, haben auch wir , wenn auch nur ansatzweise, gemerkt. Ständig sind wir auf der Suche nach trinkbarem Wasser. Alle paar Stunden mussten wir unsere Vorräte an Wasserflaschen ergänzen - irgendwie anstrengend. Auch Toiletten gibt es nicht an jeder Ecke. In der Stadt kann man eventuell noch in einem Café auf's Klo gehen (wobei dort die WC's in einem unbeschreiblichen Zustand sind). In einem Café in Jinja fand ich ein völlig versifftes, verschmiertes und entsprechend unbenutzbares Örtchen vor, an dessen Tür ironischerweise ein Zettel hing: "Are you thankfull for this toilet?"- und dann folgte ein schlechtes-Gewissen-machender Hinweis darauf, dass schließlich ein großer Teil der Weltbevölkerung überhaupt keinen Zugang zu Toiletten hat. Na ja, ich verließ das Örtchen jedenfall unverrichteter Dinge und - wie unchristlich - äußerst undankbar.
Ähnliche Schwierigkeiten auf der Busfahrt. Nur einmal hält er nach zwei Stunden - ein paar Leute steigen aus, verschwinden hinter Hütten, und nach fünf Minuten geht es weiter, noch bevor wir Zurückgebliebenen realisiert haben, dass dies unsere einzige und letzte Chance zum "Austreten" war.

unterwegs

Danach brettern wir weitere sechs Stunden durch Busch und Dörfer. Wohl hält der Bus noch mehrmals kurz, doch ohne Gelegenheit auszusteigen. Statt dessen kommt die Dorfbevölkerung an unser Gefährt und bietet durchs Fenster Bananen, Wasser, lebende Hühner und - als Ladenhüter - mehrfach wieder neu geröstete und daher inzwischen kohlschwarz verbrannte Fleichspieße an.

Straßenverkauf

Was die natürlichen Bedürfnisse angeht - man schwitzt "es" einfach aus ...
Unsere nette Reisebegleiterin weist uns auf die Bestimmung hin, dass unterwegs gekaufter Fisch und lebende Hühner außen an den Bus angebunden werden müssten. Doch wer hält sich hier schon an Regeln? So gackert das eine oder andere Huhn (kopfüber transportiert) im Fahrgastraum.
Abends kommen wir erschöpft auf der DIGUNA-Station in Arua an. Ein schlichtes, aber freundliches Zimmer mit Betten, Moskitonetz und sogar einem gefliesten Bad (purer Luxus!) erwarten uns. In den nächsten Tagen lernen wir das Team dort näher kennen und haben jede Menge Gespräche, Besuche, gemeinsame Mahlzeiten. Jeder hat seine Geschichte zu erzählen - spannend! Am zweiten Tag kommt Annikas Team aus Aru mit einem uralten LKW angefahren. Zu siebt werden wir mit diesem Klapperteil auf Safari gehen. Am nächsten Morgen noch vor Sonnenaufgang brechen wir auf.

Annikas Kongo-Team: Danika, Dorothe, Jo-Jo, Christian, Annika
Gute zwei Stunden fahren wir, dann erreichen wir den Murchison Falls Park. Wir zahlen unsere 30 Dollar und schon sind wir mitten drin. Annika fährt, Hartmut sitzt auf dem Beifahrersitz, und wir anderen fünf lassen uns auf der offenen Ladefläche ordentlich durchrütteln - die Bandscheiben lassen grüßen. Dafür haben wir frische Luft und Natur zum Anfassen. Bald sehen wir Antilopen, Warzenschweine (Pumbaa!) und in der Ferne erste graue Dickhäuter. Schlag auf Schlag folgen dann Giraffen, Wasserbüffel und - atemberaubend - nur ein paar Meter von uns entfernt eine Herde Elefanten.
Drohgebärde - kommt uns ja nicht zu nahe!

Wir können gar nicht schnell genug von rechts nach links wechseln, um alles mitzubekommen. Die afrikanische Landschaft ist wunderbar, die Tierwelt faszinierend, die Luft flirrend - einfach berauschend. An dieser Stelle kann ich diejenigen verstehen, die sich vom Fleck weg in den Kontinent Afrika verliebt haben ...
Plötzlich steigt uns Brandgeruch in die Nasen, und als wir um eine Kurve fahren, sehen wir einen kleinen Buschbrand rechts und links unseres Weges. Ein bisschen mulmig wird mir schon, zumal wir uns dann auch noch im feinen Sand festfahren. Schnell ausgestiegen (was eigentlich nicht erlaubt ist), gebuddelt und angeschoben - schon sind wir wieder frei und passieren ohne Schaden das Feuer. Immer wieder mal sehen wir rechts von uns den Nil aufblitzen.

Der Weiße Nil

Gegen Mittag parken wir am Ufer, von wo aus kleine offene Boote zu Nilfahrten starten. Annika hat vorher telefonisch gebucht, so können wir direkt einsteigen, und es beginnt eine erfrischende Fahrt auf dem Wasser. Auch hier bekommen wir wieder die überwältgende Tierwelt zu sehen: Nilpferde, Wasserbüffel, Elefanten und sogar Krokodile. Über uns schwebt ein Weißkopfadler.

Endstation ist ein Felsen im Wasser, von dem aus man den gigantischen Wasserfall in der Ferne bewundern kann.
Abends, nachdem wir die Nilfähre genommen haben, kommen wir am Red Chilli Camp an, wo wir übernachten - Hartmut und ich als "Senioren" in einer kleinen Hütte, das Jungvolk auf der Ladefläche des LKWs. Lecker Abendessen in der Freiluft-Lounge, dann gute Nacht!
Am nächten Morgen beschließen wir, uns den Wasserfall "von oben" anzuschauen. Donnernd drücken sich die Wassermassen durch die enge Schlucht. Dauer-Regenbogen entstehen aus Licht und Gischt. Es braust und spritzt aus voller Kraft, gigantisch.
"Das Spektakulärste, was dem Nil auf seiner Reise zum Mittelmeer geschieht" sagte einst Winston Churchill zu den MurchisonFalls.
Christian, ein kongolesischer Freund von Annika, verbirgt das Gesicht in seine Arme und betet. Das ist die einzige Haltung, die angesichts solcher Schöpfung angemessen ist. Ich folge innerlich seinem Beispiel.


Lange verweilen wir an dem Ort, bevor wir uns auf den Heimweg machen - und zwar direkt in den Kongo, nach Aru, zu "Annikas" Station.

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