Donnerstag, 24. Juli 2008

"Rare poems ask rare friends"

Dieses aus der Feder von Ben Jonson stammende Motto ist auf den Dichter John Donne gemünzt, einem lange in Vergessenheit geratenen und heute mühsam wiederentdeckten Zeitgenossen Shakespeares. Mühsam deswegen, weil er ein zwar brillianter, aber schwer verständlicher Lyriker, Satiriker - und Geistlicher ist. Seine Gedichte sind voller Anspielungen, Paradoxien, Projektionen, Metaphorik, Polemik und maßlosen Übersteigerungen, die sich dem Leser zum Teil nur in den historischen Zusammenhängen Englands in der Jahrhundertwende um 1600 erschließen. Trotzdem ist er ein moderner Dichter, weit seiner Zeit voraus. Seine Sprache ist zuweilen brutal offen, mit frivolen und und unverhohlen erotischen Anspielungen, die aber wiederum nur Symbol für tiefer liegende Empfindungen sind. Seine Hauptthemen sind Liebe, göttliche wie menschliche (wobei er kühn eine transzendente, heilige Erotik und gleichzeitig eine erotisierte Gottesliebe formuliert) sowie Abschied und Tod.
Ich arbeite mich gerade durch einen dritten Lyrikband von ihm durch, "Alchimie der Liebe", und bin zugleich verwirrt und begeistert. Manche Sätze sind so schön, dass man sie gar nicht verstehen muss, um mit der Empfindung dahinter mitzuschwingen. Andere widerum würde ich so gern durchschauen und schaffe es einfach nicht.
Zwei Beispiele, die sich mir einigermaßen, wenn auch nicht nicht vollständig erschließen:

"Erstürme mein Herz! Dreifaltiger Gott, der scheu
Bis jetzt nur anklopft, haucht, heilsam bespricht.

O wirf mich nieder, dass ich mich aufricht!

Brauch deine Kraft, blas, brenn und mach mich neu!


Ich, eine Stadt, dem Feind verpfändet, freu

Mich auf Dein Kommen. All mein Mühn hilft nicht:

Vernunft, Dein Vogt, dem mich verteidigen Pflicht,

Wird bald gefasst, da schwach und ungetreu,

Doch innigst lieb ich Dich, möcht, dass Du mich

Auch liebst. Und bin dem Feind versprochen doch!

Löse, zerhau den Knoten, scheide mich,
Reiß mich zu Dir, wirf mich ins Kerkerloch!

Ich bin nicht frei, außer Du bändest mich.

Ich bin nicht rein, außer Du schändest mich."

Ein Zeugnis von John Donnes Sprache, die mal zärtlich, mal überaus brutal sein kann. Dass er es wagt, das Bild einer Vergewaltigung mit Gott in Zusammenhang zu bringen ... Alles in mir sträubt sich dagegen. Und doch - im Sinne von Überwältigt-sein könnte ich es nachvollziehen. Auch das Wissen um die Begrenztheit des Verstandes, seine Sehnsucht nach Gottesbegegnung und Erneuerung ...

Zum Verständnis des nächsten Gedichtes "Die wahre Braut Christi" muss man wissen, dass Donne katholisch erzogen worden war, in den späten Regierungsjahren Elisabeths Katholiken aber zunehmend der Verfolgung ausgesetzt waren. Nach langen Bedenkzeiten näherte er sich daher der anglikanischen Kirche an, das alles unter jahrelangen großen Gewissenskämpfen.
"Die Geschminkte" ist die römische Kirche; "jene, die verstört" die Reformierten in Deutschland und die Puritaner in England. "Hat sieben" (Rom auf seinen sieben Hügeln) oder "einen Berg erwählt" (Tempelberg in Jerusalem).

"Zeig, Christus, Deine Braut mir, licht und klar:
Wie, ist es die Geschminkte überm Meer,

In reichem Putz? ist's jene, die verstört,
Beraubt, zerlumpt, hier und in Deutschland klagt?


Schläft sie erst tausend, und wacht dann ein Jahr?
Ist wahr, und irrt? bald jung, bald abgelebt?

Hat sieben, oder auch einen Berg erwählt,

Oder auch keinen, einst, jetzt, immerdar?


Wohnt sie hier? oder, fahrendem Ritter gleich,

Muss ich weit reisen, eh mir Liebe wird?

Gib Deine Braut, Herr, allen Blicken preis,

Dass meine Seele Deine Taube wirbt,


Die Dir am meisten treu ist und gefällt,
Wenn sie die Arme öffnet aller Welt."


Solche Fragen sind sehr aktuell, oder?

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…
Der Kommentar wurde von einem Blog-Administrator entfernt.