Sonntag, 11. Oktober 2009

Drei Männer und ein Baby ...

waren gestern auf Technik-Tour in HH, während ich die Zeit nutzte, um mal wieder in der Hamburger Kunsthalle vorbei zu schauen. Zu ihr habe ich eine besondere Beziehung, weil hier viele der Gemälde hängen, die ich bereits als Kind durch ein kunstgeschichtliches Buch - mit Beispielen aller bedeutenden Künstler quer durch die Jahrhunderte - kennengelernt hatte. Dieses Buch stand im Regal meiner Eltern, und ich habe es eine zeitlang täglich angeschaut. Für mich war es die Eingangstür zur Kunst, und ich konnte mich nicht satt sehen an den Bildern.
Jetzt stehe ich vor den Originalen, und diesmal packt mich besonders "Das Eismeer" von Caspar David Friedrich. Die schräg in die stählerne Bläue des Himmels stechenden Eisschollen, die Unerbittlichkeit der weiten Kälte, aus der es kein Entrinnen gibt. Ich kann mich noch gut an den Schock erinnern, als ich als Kind auf dem kleinformatigen Bild - zwischen den Eismassen eingekeilt - plötzlich das gekenterte Schiff entdeckte. Die Grausamkeit dieses Todes erschreckte mich damals zutiefst. Auch heute hat das Bild für mich nicht an Wirkung verloren.
Ein anderes, sehr viel lieblichesres Bild aus dem Buch meiner Kindheit befindet sich ebenfalls in der Kunsthalle: "Der Morgen" von Philipp Otto Runge. Damals wusste ich noch nichts von Symbolen - und doch spürte ich, dass das Baby da auf dem Boden liegend, von der Sonne bestrahlt, genau da hingehört, sich "richtig" anfühlt, ein Bild, das Neuanfang und Hoffnung ausstrahlt - genau das Gegenteil von dem "Eismeer".
Jedenfalls verbrachte ich drei ausgefüllte Stunden dort und gönnte mir anschließend einen Kaffee im Balzac. Auch diese Atmosphäre liebe ich: intensiver Kaffeeduft, dunstige Wärme durch die regendurchnässte Kleidung, Musik, dichtgedrängt viele junge Leute an den kleinen Tischen. Mit einem Schlag habe ich den Altersdurchschnitt deutlich angehoben. Dann noch einen Sessel in einer Ecke am Fenster ergattert, gelesen und ab und zu auf die Gesprächsfetzen links und rechts neben mir gehört: "... da wird dann nicht mehr intubiert". Vielleicht ein Medizinstudent. Sein Nachbar erzählt empört von seinen Erfahrungen als Patient: "Warum wird man nach drei Tagen zu einem Einlauf gezwungen?" - Die junge Frau neben mir zu ihrer Freundin: "Wie hältst du diese Enge nur aus? Ich musste mir noch nie ein Zimmer mit jemandem teilen!". Ich stelle mir dann immer die Geschichten hinter den Wortfetzen vor. Vielleicht lieben es daher so viele Schriftsteller, in Cafés zu arbeiten. Man bekommt wohl eine Menge Anregungen.
Dann zweieinhalb Stunden Rückfahrt nach Cuxhaven, viel Zeit für Hartmut und mich, zu erzählen. Stippvisite in einer Großstadt: sehr schön. Noch schöner, wieder nach Hause zu kommen.

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