Dienstag, 16. Oktober 2007

Ist schon komisch ...


kaum klebe ich mal wieder (wie oft eigentlich noch?) an diesen blöden Identitätsfragen (Wer bin ich? Was macht mich wirklich aus?), da setzt mich Gott auf den Pott, seufzt und sagt: "Okay, also noch mal. Hab ich dir zwar schon hundert Mal erklärt, aber wenn Du's brauchst, eben noch ein weiteres Mal." Und zwar in Form des letzten WE-Seminars auf dem Dünenhof durch die wunderbare Vreni Theobald.
"Zwischenbilanz - was mein Leben ausmacht" war das Thema, und es ging hauptsächlich um Frauen in der Lebensmitte. Jeder, der ein Unternehmen führt, weiß darum, wie wichtig eine Zwischenbilanz ist, um eine Übersicht über die Geschäftslage zu bekommen und vor der endgültigen Bilanz am Jahresende noch Kurskorrekturen vornehmen zu können.
So hatte ich Gelegenheit, in meinem Leben Zwischenbilanz zu ziehen. Und ich hab gemerkt, dass ich tatsächlich auf ganz gutem Weg bin - hatte ich nur zwischenzeitlich wieder aus den Augen verloren (siehe post "Nebelfahrten").
Denn die Aufgaben, die den Frauen in der Lebensmitte gesetzt sind, bin ich bereits intensiv angegangen und habe sie bisher auch einigermaßen gut bewältigt:
- körperliche und seelische Umstellungsprozesse akzeptieren
- sich selbst ehrlich wahrnehmen, Veränderungen positiv einordnen
- Neufindung in der Partnerbeziehung
- Kinder loslassen
- neue Frage nach Beruf und/oder ehrenamtlicher Tätigkeit
- Fürsorge für alt werdende Eltern
Das Ziel dieser Aufgabenstellung ist, den Übergang in die 2. Lebenshälfte zu meistern, sensibel zu werden für neue Lebensimpulse, die sich mehr nach "innen" wenden, den Wechsel anzunehmen von biologischer zu geistlicher Fruchtbarkeit und Mutterschaft.
Wenn ich mir diesen Katalog anschaue, so kann ich erkennen, dass ich genau diese Punkte in den letzten Jahren "abgearbeitet" habe, zum Teil auch noch dabei bin. Was legitim ist, denn nach neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen können diese "Wechseljahre" (nicht nur biologisch gesehen!) bis zu 14 Jahren andauern.
Dass dieser Prozess auch mit Krisen verbunden ist, ist ja klar. Da will nicht Gelebtes mit Macht hoch kommen und fordert ihr Recht. Die äußere Fassade bröckelt - damit meine ich nicht nur das Aussehen. Die Zeit der Anpassung an Menschen und totale Unterordnung unter die Erfordernisse des täglichen Lebens ist vorbei. Man möchte authentisch, echt werden. Eigene Bedürfnisse wahr nehmen und leben. Ehrlich sein. Die innere Gestalt will wachsen und bekommt mehr Autorität. Die innere Schönheit wird jetzt wichtig, nicht mehr die äußere. Da werden auch noch mal Heilungsprozesse in Gang gesetzt. Das Leben wird vertieft. Versöhnung mit der eigenen Lebensgeschichte und mit Menschen kann statt finden. Ich kann erkennen, dass ich Glied einer Generationenreihe bin. Ich kann mich fragen "Was geht durch mich weiter?". Ich kann die wunderbare Aufgabe annehmen, Begleiter und geistliche Stütze meiner Kinder und Enkelkinder zu sein.
Ich darf in die zweite Reihe treten, die Jüngeren fördern. Ich darf das Leben genießen. Ich darf um meine eigene Unverwechselbarkeit wissen und sie bejahen.
Ich bin also durchaus auf dem richtigen Weg. Was mich vorher so umgetrieben hatte: Da muss doch noch mehr sein, das reicht doch nicht, ich muss doch noch etwas wirklich Großes bewirken in dieser Welt. Das Gefühl: Ich genüge nicht. Was ich tue, reicht nicht aus.
Was mir an dem WE geholfen hat, war Vrenis Geschichte, die sich genau mit dieser Frage des "Nicht-Genügens" gequält hatte und damit zu einer Seelsorgerin gegangen war. Sie hatte gehofft, gesagt zu bekommen, dass sie - Vreni - doch genüge, gut genug sei. Was tat aber die Seelsorgerin? Sie lachte Vreni herzlich aus. Und dann sagte sie: "Genau, du hast es erkannt - du genügst nicht! Aber kein Mensch genügt. Das ist ja das Tolle an Jesus, dass er unseren Mangel, unser Nichtgenügen vollständig ergänzt und ausfüllt, so dass es am Ende gut ist."
Tja, da hatte ich es nun wieder. Mein Perfektionismus war mal wieder entlarvt. Und das Befreiende daran: Ich darf sein wie ich bin, ungenügend, voller Fehler, Versagen, Mängel, Lücken. Gut so.

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