Montag, 17. Dezember 2007

D.L.S. - die etwas andere Art von Rauschmittel


Heute vor 50 Jahren starb die Schriftstellerin und Literaturwissenschaftlerin Dorothy L. Sayers.

Ziemlich genau um den gleichen Tag herum bin ich gezeugt worden.

Zwei Ereignisse, die scheinbar nichts miteinander zu tun haben. Und doch berührt es mich seltsam, dass da zeitgleich an verschiedenen Orten etwas stattgefunden hat, in dem eine merkwürdige Verknüpfung liegt: Ein Leben ist im Dezember '57 zu Ende gegangen, das in einem Leben, das genau zu dem Zeitpunkt gerade erst im Entstehen war, maßgebliche Spuren hinterlassen würde.


Ich frage mich, ob Gott schmunzelte, als er das arrangierte. Mit Hilfe von Dorothy L. Sayers, oder besser mit Hilfe ihres Buches „Zum König geboren“, einem modernen Hörspiel über das Leben Jesu, hat Gott vor knapp 30 Jahren einen Befreiungsschlag in meinem Kopf und vor allem in meinem Herzen vollbracht: Meine Kindertheologie, die ohnehin nicht mehr tragfähig war, ist beim Lesen dieses Werkes gestorben, aber gleichzeitig wurde in mir eine beglückende Ahnung von dem geboren, was sich Gott mit uns Menschen wirklich gedacht hat. Damals begann in mir ein Fragen und Suchen - und es hat bis heute nicht aufgehört. D.L.S.'s Bücher haben mich seitdem begleitet. Da ist eine Lawine der Veränderung ins Rollen gekommen, besonders was die Wahl meiner Literatur und meine Art zu denken anging.


Ich bin D.L.S. unendlich dankbar dafür. Sie hatte einen scharfen Verstand und eine ebensolche Zunge. Wissenschaft und Glaube waren bei ihr keine Gegensätze, sondern sich gegenseitig bedingend und befruchtend. "Wenn wir aufhören zu wachsen, wenn wir aufhören, intelligente Fragen zu stellen, dann haben wir aufgehört, wie Kinder zu sein, und das Himmelreich ist uns verschlossen" war sie überzeugt.

Sie war eine der ersten Frauen, die Anfrang des 20. Jahrhunderts in Oxford studierte und dabei ihren Abschluss mit „summa cum laude“ hinlegte. Sie verband als Schriststellerin köstliche Unterhaltung (u.a. in Form von Krimis) mit ihren tiefsten Überzeugungen, scharfer Beobachtungsgabe und wunderbar britischem Humor. Sie entlarvte gerne unpräzises Denken und schlampige Argumentationsführungen ihrer Zeitgenossen. Sie war ein Freigeist und ließ sich von niemandem vereinnahmen (auch nicht von der Frauenemanzipations-Bewegung, die sie gern als ihr Zugpferd gesehen hätte; und einen theologischen Ehrendoktortitel der anglikanischen Kirche lehnte sie ab).

Durch sie wurde ich auf Schriftsteller wie C.S.Lewis und G.K.Chesterton, mit denen sie befreundet war, aufmerksam. Durch sie lernte ich Oxford lieben (mein Lieblingskrimi von ihr 'Gaudy Night' ist die Liebeserklärung an Stadt und Universität Oxford), zwei Mal durfte ich bisher diese wunderschöne "Stadt der träumenden Türme" besuchen – und ich werde es, so Gott will, wieder tun.

Durch ihr Leben lernte ich aber auch, dass man trotz guter Überzeugungen ein fehlbarer Mensch bleibt.

Ich schätze, sie sitzt jetzt gerade mit einigen bedeutenden Theologen (wie z.B. Karl Barth, mit dem sie einen Briefwechsel führte und dem einige ihrer ins Deutsch übersetzte Werke zu verdanken sind) in einer Runde im Himmel und diskutiert lebhaft über das, was in der Landschaft der Gläubigen gerade so ab geht. ;-) Und sagt dabei vielleicht: "Kulturrelevantes Christsein? Da kommen die erst jetzt drauf? Das habe ich mein Leben lang gelebt. Darüber geschrieben. Und entsprechend gehandelt. Zum Beispiel im gebeutelten Nachkriegsengland mit einigen Mitstreitern. Wißt ihr noch? Als nach Kriegsende in London im Gemeindehaus von St. Anne ein Treffpunkt für kirchenfernstehende Londoner entstand und ich als Vorsitzende des Vereins 'St. Annes House' eine Vortragsreihe 'Christlicher Glaube und zeitgenössische Kultur' anbot? Da haben wir im geschützten Rahmen über christliche Werte diskutieren können. Und tatkräftig geholfen haben wir auch, wo Not am Mann war."


C.S. Lewis sagte in seinem Nachruf zu ihrem Tod:

"Für alles was sie tat und was sie war, für das Vergnügen und die Belehrung, für ihre kämpferische Loyalität als Freundin, für ihren Mut und ihre Ehrlichkeit ... - für das alles lassen Sie uns dem Autor danken, der sie erfand."

Dazu sage ich aus vollem Herzen: Amen!

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