Freitag, 12. Juni 2009

Wende an, was du gelernt hast

Kreuzgang Kloster Loccum

Die Weser

Landschaften

Stift Fischbeck

Freilicht-Musical "Rats" in Hameln

Pause

Gott hat manchmal eine merkwürdige und überraschende Dramaturgie. Meine (geplante) Woche Pilgerreise hatte ihren Höhepunkt gleich am ersten Tag, dafür gab es einen Abbruch am fünften.
Dann kann ich ja mal gleich mit dem Ende anfangen: Nach vier in jeder Hinsicht guten Tagen war ich am fünften gerade bei strömendem Regen und heftigem Wind von Hameln aus auf dem Weg zu meinem nächsten, 20 km entfernt liegenden Etappenziel, als ich plötzlich stoppte, in mich ging, kurz überlegte und dann stehenden Fußes umkehrte, Richtung Bahnhof. Warum? Déjà-vu! Dauerregen und Kälte hatte ich doch letztes Jahr schon, das brauche ich wirklich nicht noch einmal! Die Entscheidung, umzukehren, war nicht ganz leicht, aber dennoch richtig. Ich habe dazu gelernt.
Und damit komme ich zum Anfang der Geschichte.
Am Sonntag machte ich mich per Bahn auf den Weg, in Wunstorf war "Endstation", und es ging nur noch per Überlandbus weiter bis Rehburg. Dann war auch da Schluss. Die letzten 7 km bis zum Kloster Loccum legte ich, wie sich das für einen Pilger gehört, zu Fuß zurück. Ich bezog mein Quartier im Pilgerhaus. Eine Überraschung wartete auf mich: Ein Chorkonzert (Kammerchor Ars Musica aus Hannover) sollte in der Klosterkirche statt finden.
Das mitzuerleben war für mich das tiefste geistliche Geschehen während der Tage. Aus zwei Gründen. Zum einen knüpfte Gott durch die Texte unmittelbar an meine letzte Pilgerreise an: Exakt die Verse, die damals so tief zu mir gesprochen hatten, wiederholten sich nun in vertonter Form: "Oh ihr alle, die ihr auf dem Weg vorübergeht: Merkt auf und seht, ob es einen Schmerz gibt, der meinem Schmerz ähnlich ist! ..." und später: "Die mit Tränen säen, werden mit Freuden ernten. Sie gehen hin und weinen und tragen edlen Samen und kommen mit Freuden und bringen ihre Garben ...".
Ich konnte es kaum glauben. Zwei Verse aus 'zig Tausenden der Bibel, genau die! Das war schon mal der Hammer. Als wäre nicht ein Jahr dazwischen gewesen!
Kurz vor der Pilgerreise hatte ich mich gefragt, unter welchem Motto sie stehen sollte. Welche Fragen habe ich denn eigentlich gerade? Auf dem Dünenhof Festival eine Woche zuvor war eine Liedzeile, die wir öfter sangen, bei mir hängen geblieben: " Ich lebe zur Ehre Gottes". Daran habe ich mich gerieben und sie warf Fragen bei mir auf. Lebe ich wirklich zur Ehre Gottes? Das Gefühl habe ich oft nicht. Und was heißt das überhaupt? Wie lebt man denn, damit es Gott zur Ehre gereicht? Ich nahm mir vor, diese Fragen mit auf den Weg zu nehmen und zu bewegen.
Das Konzert lief unter dem Titel "Vertrauen". Und während ich in der schlichten Kirche sitze und den Klängen lausche, spüre ich, das ist ein Thema, das zugleich eine Teilantwort auf meine Frage bietet. Wenn ich Gott vertraue, wirklich vertraue, gerade auch in dunklen Zeiten, wenn ich nicht ein noch aus weiß, wenn ich keinen Weg mehr sehe, wenn ich mich entscheiden muss, mich an ihn festzuklammern, und wenn ich selbst das nicht mehr kann, mich von ihm festhalten zu lassen - dann, ja dann lebe ich Gott zur Ehre. Misstrauen entzieht ihm Ehre. Vertrauen dagegen ehrt ihn. Denn er ist vertrauenswürdig.
Ich merke, dass diese Antwort anders ist, als ich sie erwartet hätte. Wieder dachte ich, ICH müsste etwas tun, ein angemessenes Leben Gott zur Ehre zu leben, vielleicht ein leuchtendes Beispiel für andere Menschen zu sein. Denkste. Gott kommt es darauf an, dass ich ihm vertraue, wohin mich mein Leben auch führt. So einfach. Und so schwer.
Was kann jetzt noch kommen auf dem Weg, nach diesem intensiven Anfang?
Was kam, waren einfach ein paar schöne Tage, wundervolle Landschaft, beeindruckende Kirchen und Klöster am Wegrand, ein Sonnenbrand, ein Schnupfen und immer wieder ein Satz, der in meinem Kopf auftauchte: "Wende an, was du gelernt hast."
Ich spüre, dass ich schöpfen darf aus dem, was ich in den vergangenen Jahren mit und durch Gott erfahren habe - über mich selbst und über ihn. Die mit Tränen säen ... tragen edlen Samen ... bringen mit Freuden Garben. Das ist wahr! Und ich empfinde große Dankbarkeit.
Am zweiten Tag treffe ich eine andere Pilgerin, und immer wieder mal überhole ich sie, dann sie mich, wir wechseln jedesmal ein paar Worte. Irgendwann sagen wir: Komm, lass uns ein Stück gemeinsam gehen. Wir tauschen unterwegs unsere Vornamen und unsere Lebensgeschichten aus. Wie einfach und unkompliziert das auf einem Pilgerweg ist! Es geht richtig zur Sache, bei uns beiden. Über meinen Glauben zu sprechen fällt mir in diesem Zusammenhang gar nicht schwer. Es gehört dazu, auch wenn ich spüre, sie kann damit nichts anfangen. Macht nichts, ich werfe einen Köder aus und brauche mir keine Gedanken darüber zu machen, ob sie ihn annimmt oder nicht. Das ist nicht meine Verantwortung! (Früher hätte ich mir viel mehr Sorgen darüber gemacht.)
Auch in anderer Hinsicht bin ich gelassener geworden: Ich mache eine Pause, wenn ich eine Pause brauche. Ich verweile an einem schönen Ort, ohne auf die Zeit zu achten. Ich gönne mir ein leckeres Mittagessen in einem Biergarten, umschwirrt von einer Schar erwartungsvoller Hühner, die auf ein paar Krümel Futter spekulieren. Ich höre auf meinen Körper. Ich mute ihm nicht mehr zu, als er verkraften kann. Und ich kehre um, als es Zeit ist umzukehren. Kein falscher Ehrgeiz mehr.
Zu Hause angekommen, erwartet mich ein Päckchen: Amazon hat mir "Die Hütte" von William Paul Young geschickt. Und ich habe drei Tage gewonnene Zeit, um es zu lesen! Wenn das kein perfektes Timing ist!

3 Kommentare:

Veo hat gesagt…

Danke das du uns an deinem Glaubensleben und die damit verbundenen Erfahrungen teilhaben läßt.
Viel Saß beim Lesen, und schönes WE ;-)

Barbara hat gesagt…

Wie lebe ich zur Ehre Gottes? Das ist eine gute Frage, über die sich jeder Christ Gedanken machen sollte! Schön, dass du das in deinem Blog erwähnst, das bringt mich dazu, mal wieder darüber nachzudenken :)

Anonym hat gesagt…

"Rats" in Hameln, das klingt gut ;-)