Montag, 5. Februar 2007

In der Nähe liegt die Kraft ...


Es ist schon erstaunlich. Da entdecken FOCUS, stern & Co. ein „neues“ Thema: Das menschliche Miteinander. Im stern von Anf. Februar wird es aufgegriffen innerhalb der Serie „Wunder Mensch“: „Ich und die anderen – In der Nähe liegt die Kraft“. Ein weiterer Artikel im selben Heft beschäftigt sich mit der Stimmung und dem Arbeitsklima in deutschen Kliniken und Pflegeheimen. Dem Krankenhaus-Experten Wilfried von Eiff zufolge glaubt die Mehrheit der in Krankenhäusern Beschäftigten, verschlissen zu werden. „Zu oft ist das Personal für die Entscheider nur ein Kostenfaktor, den man zusammenstreichen kann. Dabei ist es vor allem ein Faktor für Produktivität- und Qualitätssteigerung.“ Sein Fazit: „Ein Bewusstseinswandel ist nötig.“ Denn: „Die Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen täten gut daran, das Betriebsklima zu verbessern. Denn gesunde und motivierte Angestellte würden besser arbeiten und letztlich für gesunde Bilanzen sorgen.“

Auch der aktuelle FOCUS setzt sich mit „Der Kunst, ein guter Chef zu sein“ auseinander. Dort wird erstaunt registriert: „Wer auf seine Mitarbeiter zugeht und ihnen zuhört, profitiert nicht nur von Ideen des Teams, sondern gewinnt auch an Glaubwürdigkeit“ und „Gute Führung bedeutet, Mitarbeiter zu motivieren und zu begeistern“ - so wie es der Chef des OTTO-Konzerns, Michael Otto, täte. „Bescheidenheit ist in Führungspositionen unerlässlich“ meint Mathias Hiebeler, Geschäftsführer bei Heads. Er achte genau darauf, wie respektvoll ein potentieller Kandidat mit Menschen umgehe. Und Torsten Toeller, Chef der größten Futtermittelkette Deutschlands, „Fressnapf“, meint: „Entscheidungen fallen dort, wo die höchste Kompetenz und nicht die höchste Position ist. Deshalb dürfen sie auch mal gegen mein Votum ausfallen.“

Hut ab davor! Das ist die richtige Einstellung! Ich habe kürzlich einen Bericht im TV über den Firmenchef GRUNDIG gesehen, der genau an dieser Frage gescheitert ist. Als Chef meinte er, alles bestimmen zu müssen und hat nicht auf den Rat von anderen gehört. Selbstherrlich hat er – gegen jede Vernunft – entschieden, ein Videoabspielgerät im falschen Format auf den Markt zu bringen (eben nicht VHS, auf dem die meisten der damals produzierten Filme hergestellt wurden). Das hat ihm und seiner Firma das Genick gebrochen.

Und der stern entschädigt mich für den missglückten Teil über die menschliche Sexualität mit den Worten: „Alleinsein ist kein Leben für einen Menschen. Nur gemeinsam können wir glücklich werden, einer nicht selten feindlichen Welt trotzen und wenigstens ein paar unserer Träume verwirklichen.“

Ich finde es einerseits erfeulich, dass man sich in solchen Magazinen mit Themen über menschliche Gemeinschaft auseinandersetzt. Aber gleichzeitig bin ich auch erschrocken darüber, dass das, was für mich und viele Menschen eine Selbstverständlichkeit ist – aufeinander zugehen, Verständnis haben, eigene Interessen einzubetten in die Interessen meiner Mitmenschen, gemeinsam nach Zielen und Lösungen suchen, Rat anzunehmen, ein Umfeld zu schaffen, in dem sich alle wohl fühlen etc. - (noch ?) so wenig Fuß gefasst hat in unserer Gesellschaft und deswegen überhaupt erst thematisiert werden muss.

Dabei bin ich nicht so naiv, nicht zu wissen, dass auch andere Kräfte in uns (natürlich auch in mir) schlummern: Konkurrenzdenken, Bequemlichkeit, Egoismus, Geltungsbedürfnis, Geld- und Machtgier. Aber wir sind doch denkende und fühlende Wesen – und wir sind lernfähig und mit freiem Willen ausgestattet. Letztendlich ist noch jeder Despot gescheitert. Und jeder Tyrann hat seinen verdienten Untergang erlebt (bzw. ist daran verreckt). Wie Simmel schon sagte: Kein Mensch ist eine Insel. Wir können nicht allein leben und entscheiden. Das ist immer unser Verderben. Deswegen ist der Teufel auch so interessiert daran, zwischen Mensch und Mensch sowie zwischen Mensch und Gott einen Keil zu treiben.

Statt dessen müssen wir lernen, wie sehr wir aufeinander angewiesen sind, wie enorm wir profitieren von dem Reichtum anderer Menschen, wie überaus gut uns Gemeinschaft tut und wie stark wir sind, wenn wir uns zusammentun und unsere Kräfte und Stärken bündeln. Das alles sollte zuerst in Familien und Freundschaften passieren, aber genauso auch in Beziehungen am Arbeitsplatz, Gemeinde und allen anderen Bereichen unserer Gesellschaft. Es lohnt sich, den Preis für Gemeinschaft zu zahlen (denn etwas kostet es ja immer!). Doch den Preis der Einsamkeit kann niemand zahlen.

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